queer und nüchtern?

heute habe ich post von einer freundin bekommen, die mir ein zine geschickt hat. dieses heißt:

“queer und nüchtern –
erfahrungen von queeren und transmenschen zu nüchternheit und rauschkultur“

 

gefunden hat sie es im sputnik in potsdamm
auch zu finden auf: queer trash distro
in dem zine erzählen queere menschen über ihre erfahrung nüchtern zu sein.
erst einmal danke dafür, lynne! ich habe mich mega gefreut.

… nüchtern…. abstinent… sucht…krankheit… abhängig… leben und tod…

viele worte schwirren durch meinen kopf. viele gefühle kommen und gehen. besonders hier in der klinik. in der ich eine alkohol- und cannabisentwöhnung mache.
suchtmittelkonsum und sucht sind themen die sich schon durch mein ganzes leben ziehen – genauso wie angst und depression. ob das die sucht der eltern und verwandten ist. die gewalterfahrungen durch den agressiven stiefvater. die sucht meiner mutter (die sie nicht zugibt vor sich selbst).

die erinnerungen an viele momente in meinem leben, die mit suchtmitteln und sucht zusammenhängen. die versuche den traumata, den depressionen und der angst mit suchtmitteln zu entfliehen.

diese themen ziehen sich bis heute auch durch die umfelder in die ich mich begebe(n habe). hausprojekt hier. landkommune da. und überall sind suchtmittel und deren konsum präsent.
räume zu eröffnen oder zu finden in denen nicht konsumiert wird ist schwierig bis unmöglich. aufgrund meiner suchterkrankung  muss ich mir sehr genau anschauen wo ich hingehe. wo ich feiere. ob ich räume meide oder nicht.

auch in der (queeren) szene im wendland sind räume ohne alkohol nicht wirklich vorhanden. egal ob partys, kneipen, ausstellungen, etc.pp.
ich weiß noch wie ich selbst, bei einem vernetzungstreffen daruf gepocht habe, dass es eine stelle für alkoholkonsum/ausschank geben muss, damit süchtige auch teilnehmen können- auch wenn ich zu dem zeitpunkt abstinent war. meine argumentation war, dass ja die gesellschaft durchzogen ist mit konsum und sucht. wenn wir die gesellschaft abholen wollen, dann auch die süchtigen. aber im nachhinewin betrachtet, hätte ich wohl noch einen schritt weiter gehen sollen.
und zwar einen austausch darüber zu schaffen. im umgang mit sucht. wie können wir uns unabhängig vom psychatriesystem selbst helfen. und so.
naja…das wird jetzt erst richtig thema bei mir.

ich erinnere mich an eine party, die wir mit rebeca lane im gasthof meuchefitz veranstalteten. es waren einige freund_innen da, die nicht dabei hätten sein können, wenn alkohol und alkoholisierte personen präsent gewesen wären. also entschieden wir kurzfristig keinen alkohol aus zu schenken. da das vorher nicht kommuniziert wurde, waren die reaktionen genervt, bis feindseelig.
es wurde uns zum vorwurf gemacht, dass wir die leute bevormunden, das wir “verklemmt“ und “spießig“ seien. viele personen sind dann gegangen. und es war danach auch eine diskussion in der szene entstanden (ohne folgen).
ein paar menschen haben es verstanden und fanden es sogar sehr gut.
ich persöhnlich konnte mich ohne suchtdruck bewegen und es haben personen getanzt und hatten spaß, die sonst keinen raum für sich beanspruchen können.
es gab ein paar menschen die sich danach bedankten und sagten, dass sie das erste mal seit jahren wieder tanzen konnten ohne angst vor übergriffigen menschen zu haben. es war eine sehr schöne und achtsame party auf der alle viel spass hatten

ich frage mich häufig, wie  können wir mehr solche räume  schaffen.
brauchen wir mehr “aufklärung“ (doofes wort) über diese themen? wie können wir ehrlich mit uns und unseren suchterkrankungen (oder drogen/alkoholmissbraucht) umgehen?
braucht es mehr auseinandersetzung in der szene ( ja!)?
mehr queere selbsthilfe (ja!)?
wie schaffen wir eine disskussion zu entfachen ohne zu stigmatisieren?

… fragen über fragen