pku (psychatrische klinik uelzen) – entgiftung

dieser text enthält darstellungen von eigenen diskriminierenden erfahrungen, sowie sexismus, rassismus, trans- und homophobie… !

ich habe versucht angstzustände, depressionen und panikattacken mit alkohol zu bekämpfen. das klappt natürlich nicht sonderlich gut. deshalb begab ich mich in die entgiftung um mich für eine entwöhnungsklinik vorzubereiten.
eigentlich wollte ich ein richtiges tagebuch schreiben.
über meine erfahrungen  während der entgiftung.
doch aufgrund mangelnder zeit und auch antriebsschwierigkeiten, schreibe ich nun nur die mir einprägsamsten erlebnisse auf.

am anfang war die angst.

entgiftung in der psychatrichen klinik uelzen…
mein ankommen war von von ängsten und panikzuständen geprägt. wie reagieren die pflegenden, die patient_innen, wie die ärzt_innen?
ich wude von den mitpatient_innen erstmal beäugt wie ein alien, was mir natürlich nicht geholfen hat meine ängste zu verlieren. glücklicherweise hatte ich ein einzelzimmer und durfte dort auch abendbrot essen, nachdem ich panisch im kleinen essenssaal saß und es nicht aushielt.
nachdem ich einer pflegerin von meinen ängsten vor den menschen erzählte, wurde ich abgespeißt mit sätzen wie:  “das wird schon“ und “versuchen sie doch einfach kontakt auf zu bauen.“
meine realen und begründeten ängste wurden gleich am anfang nicht wirklich ernst genommen. hab dich mal nicht so…

sie versuchten im hinblick auf meine transidentität achtsam zu sein, misgenderten mich aber schon am anfang ständig und ich bildete mir ein, dass sie ( also das Pflegepersonal) auch erst einmal schräg schauten als ich rein kam.
das erste gespräch mit der psychologin war erstmal sehr schön. sie hat mir zugehört und keine blöden fragen gestellt.
bei den männlichen patienten merkte ich eine starke distanz und wenn ich ihnen schokolade anbietete, sagten sie nicht einmal nein, sondern ignorierten mich einfach.
am ersten abend hatte ich meine erste begegnung mit einem patienten im rauch raum. danach wusste ich das der bmw alpina 700 ps hätte, alpina käse und irgend n rindfleisch aus ner stadt im algäu kämen . ausserdem jage er gerne seine fleisch mit pfeil und bogen und träge am liebsten tarnklamotten. na super. ich dachte, wenn das so weitergeht könnten sie mich gleich in die geschlossene abteilung legen.
am nächsten tag hatte ich ekg. es war für mich unvorstellbar schrecklich mich ausziehen zu müssen. auch wenn die frau sehr nett war. aber menschen ohne körperdisphorie und/oder die nicht trans* sind können es nicht nachvollziehen. dementsprechend war sie sehr locker, was mir im nachhinein betrachtet aber geholfen hat mich weniger für meinen körper zu schämen.

you are not a woman yet….

meine erste wirklich diskriminierende situation hatte ich dann ein paar tage später.
eine andere frau musste auf dem flur schlafen, weil ihre mitpatientin entlassen wurde und nun das zimmer für zwei neue männer frei gemacht wurde. ich fragte dann eine pflegerin ob sie nicht übergangsweise in mein zimmer mit kommen kann (sie hatte mir schon gesagt dass das für sie ok wäre).
ihre antwort war: “nein das geht nicht, sie sind ja noch keine frau!“
in diesem moment realisierte ich das gar nicht richtig.  ich fragte dann geistesabwesend wie es denn wär, wenn ich schon meine personenstandsänderung hätte. die antwort: dann ginge es auch nicht, weil ich hätte ja noch einen p. und bin ja auch dann noch keine frau, noch ein mann.
binäre kackscheiße!
ich verkroch mich in mein zimmer um zu weinen.
ich schaffte es dann am nächsten tag  ihr zu sagen, dass das echt nicht gut war.  wir redeten dann noch über formulierungen und sprache. das gespräch war sehr gut, aber trotzdem schreiben sich solche erlebnisse in meinen angstspeicher ein.

ein paar tage später hatte ich eine soldiarisierende situation mit einer mitpatientin. sie wurde ständig beim reden von einem mann begrabscht und hat es geschafft laut zu sagen, dass sie es nicht will. wir haben danach stundenlang über das thema übergriffe geredet und ich hatte das erste verbundenheitsgefühl mit einer mitpatientin.
als cis_frau in so einer klinik, in der überwiegend ( übergriffige)cis_männer sind, ist es wahrlich nicht leicht. das patriarchat macht nicht an den kliniktüren halt.

antideutsche pfleger, der übliche scheiß  und erste kontakte…

kleine anekdote: als es um das fussballspielschauen ging ( es war grad fussball EM ) meinte ein ( mir danach sehr sympatischer) pfleger: “deutschlandspiele zu gucken ist hier grundsätzlich verboten“.
das heiterte meinen tag ungemein auf .

in meiner ersten gruppentherapie  kam die geballte ladung auf mich hineingeprasselt.
sexistische witze, patriarchale gesprächsdynamiken und eine therapeutin die keine anstalten macht das zu unterbinden. ich schaffte es nicht irgendwetwas zu sagen, sondern verfiel in angststarre. ich fühlte mich nicht gut danach. ich hoffte bald menschen kennen zu lernen.

nach ein paar tagen habe ich die ersten kontakte geknüpft und einen netten herrn kennengelernt, dessen freundin genderstudies studiert. (hallo! agent J )  viel gesprächsstoff und auch rege disskussionen 🙂 mir fiel es jetzt schon leichter im klinikalltag zu bestehen.

i’m a woman, a woman, a woman! stupid!

als ich in der küche stand und mir einen kaffe eingegossen habe, kam ein typ rein und meinte meinen körper kommentieren zu müssen. er sagte ernsthaft: “ also wenn man(n) dich von hinten so sieht, denkt man(n) echt du bist ne frau“.
sehr lustig….
die pflegekräfte nennen mich seid ner woche frau b. . hat der etwas nicht mitbekommen? keine ohren am kopf? ich war innerlich sooo wütend.
hab es aber nur geschafft zu sagen:“ soll ja auch so sein… bald bin ichs“…
outsch…. mega peinlich und auch noch sowas von falsch. aber der kommentar der pflegerin hängte noch so tief in meinem kopf, dass ich nichts anderes raus bekommen habe. eigentlich häte ich sagen müssen: ja, bin ich. punkt!

patriarchy, class , race, sex and gender matters, baby!

in einer gruppentherapiestunde wird über vertrauen und selbstwert geredet. ansich erst mal ein gutes thema und mehr selbstwert zu bekommen ist ja auch eins meiner ziele.
als erstes gab es eine „resourcendusche“. alle sollten eine positive eigenschaft von sich benennen. mit dem ziel dadurch mehr selbstbewusstsein zu erlernen.
ansich sehr schön, wenn das nich im nachgang einer aussage von einer person gemacht wurde, die ganz klar geäussert hatte, dass kein selbstbewusst sein hat, weil ihr als nicht weiße frau bestimmte dinge nicht zu getraut werden, gar abgesprochen.
und sich das, genau das,  durch ihr ganzes leben zieht.
als ich dann das rumgeplänkel mit der recourcendusche kritisiert habe (nämlich auf patriarchale normativität,  intersektionalität und tripple opression hingewiesen habe), hat die therapeutin auf eine sehr subltile art vom thema abgelenkt und ein problem einer anderen person fokussiert.
tja, die therapeutin hat halt die macht in dem moment zu entscheiden, was jetzt wichtig ist. und nicht was wir als betroffene denken. sie hat die macht politische diskussionen zu umgehen, bzw. zu beenden!

derailing, derailing, derailing, plus questioning, questioning, questioning!

im nachgang suchte ich nochmal das gespräch und legte ihr (der therapeutin, die studierte psychologin ist) dar wie verkürzt ich das ganze fand.
sie gab mir in so fern recht, dass bestimmte gesellschaftliche mechanismen aber ja nicht hier in der klinik aufzulösen seien. nein, du musst dich nur selbst lieben und dann wird das alles wieder.
ja toll.

also das gibt natürlich kraft für den kampf im alltag….
anstatt den leuten bewusst werden zu lassen, dass sie nicht allein sind und sich mit anderen zusammen schliessen können die auch in dieser form diskriminiert werden, werden die probleme der menschen, die eindeutig gesellschaftlich bedingt sind, auf individualisierte “missstände“ (selbstwertverlusst) zurück geführt und somit die politische dimension ausgeblendet…
und jetzt kommt der kracher:
auf einmal, aus dem heiteren himmel, lenkte sie das gespräch dann auf das thema trans* um (auch sehr perfide) und hat somit wieder die macht über den gesprächsverlauf erlangt. klassisches derailing!
und sie fragte mich nicht als erstes wie es mir denn dort damit ginge, nein!
die erste frage, wirklich die aller erste war, ob ich denn hormonbehandklung und op anstrebe. und als zweites seit wann ich “das“ weiß. ich war erst mal völlig baff.
das war sehr unerwartet für mich und ich habe leider auf die fragen geantwortet.
ich habe ihr aber suggerrier, dass ich das eigentlich zu intim finde.
naja…
ich erklärte ihr dann , dass ich cis_menschen ja auch nicht frage ob sie sich die brüste verkleinern oder vergrössern wollen, sich die gebährmutter entfernen oder sterilisieren lassen wollen. oder ne schamlippen op., oder so.
es war etwas forsch von mir, aber in dem moment hatte es mir geholfen mit der situation um zu gehen.
eigentlich hätte ich sie nur fragen brauchen, wann sie denn gemerkt hat eine frau zu sein und sich in ihren hosen auch wirklich wohlfühlt. 🙂

naja. nächstes mal dann.

ich hatte am nächsten tag besuch von meinen freund_innen. das war sehr schön, doch machte es mir bewusst wie sehr ich einen geschützen rahmen brauche und die klinik keiner war. ständig wurde ich missgendert und hatte keine person um darüber zu reden. das gespräch mit der psychologin hing mir immer noch sehr nach. das sie so über meine grenzen ging machte mich ganz schön fertig. ich kam dann zu dem entschluss keine sachen mehr an zu sprechen, die irgendwie mit trans* sein zu tun haben. aus angst vor neuen verletzungen.

einfach ins trauma geworfen….

in einer ergotherapiestunde sollten wir ein bild malen auf dem unser leben als fluss dargestellt ist und steine und andere dinge hindernisse oder negative erlebnisse darstellen sollten.
ich konnte als einzige nicht darüber reden, weil ich angst hatte das thema gender auf zu machen.
danach ging es mir richtig scheisse denn ich habe auf einmal zugänge zu traumata aus der kindheit bekommen. die schwestern waren davon sehr überfordert und konnten mir nicht helfen und die psychologin war nicht da.
in mir kamen situationen aus meiner kindheit hoch, in denen ich krasse gewalt erlebt habe. es war als ob ich sie in diesem moment wieder erlebte. mit all den ohnmachtsgefühlen und schmerzen.
sehr schön… da lassen sie die traumatischen erfahrungen auf dich los und begleiten es dann nicht mal, geschweige denn geben dir nen beruhigungsmedikament.. nein, ich durfte beruhigungstee trinken der nicht half und wurde damit allein gelassen.

gefangen im traumakino bin ich erst um halb 6 uhr morgens eingeschlafen und wurde dann noch gerügt, weil ich es nicht zum frühstück geschafft habe. danke.

believe me darling…

eines schönen tages wurde ich von einer person sexistisch, homo- und transphob angemacht.
als der person meine grenze aufzeigte, meinte diese nur: “bist doch selbst schuld, wenn du hier rumläufst wie ne olle “.
mit der person war das in dem moment nicht zu klären, also lief ich völlig aufgelöst zum pflegepersonal und schilderte die situation.
sie meinten nur, dass sie nicht dabei waren und nichts machen können. ich solle der person doch aus dem weg gehen. diese station (deren türen offen standen) als schutzraum nehmen.

naja… ich ging dann nochmal hin und sagte, dass ich angst vor der person habe und auch angst davor rausgeschmissen zu werden, wenn ich mich physisch wehren muss falls die person mich anfasst z. bsp. ( was mir schon mehrmals passiert ist, in alltagssituationen in denen ich mich wehrte. Im supermarkt oder im kino).
ich sollte mich nicht so anstellen, es war doch nichts passiert. Meine definitionsmacht stellten sie damit komplett in frage.
der vorfall wurde dann noch weiter relativiert. die person sei ja krank und mensch kann der person das ja nicht erklären.
das empfand ich als äusserst entmündigend… was es ja auch war.
als ob die person es nicht mehr verstehen würde, was moralisch gut oder falsch ist.
als ich danach mit dem stationsarzt darüber sprach, weil ich es eingefordert habe, sah es dann auf einmal ganz anders aus. er sagte er rede nochmal mit der person.

Am nächsten tag kam die person vom vortag nochmal zu mir, entschuldigte sich und erzählte mir dann aus heiterem himmel, dass er eine freundin hat “die früher mal ein mann war“…
von solchen formulierungen halte ich natürlich nichts, aber hey, erstmal cool soweit.

everyone is learning.

anarchie ist gleich chaos,staat ist gut …lachen hilft.

wir  hatten eine gruppenstunde mit dem namen: “basis psychische gesundheit“ in der es um grundlegende dinge ging, die für eine psychische gesundheit wichtig sind.
es waren genau sechs dinge: soziale kontakte, rhytmus und rituale, kognitive stimmulation, gesunde ernährung, körperliche bewegung, achtsamkeit und selbstfürsorge.
erstmal nicht falsch.
die therapeutin verlor sich bei dem thema rhytmus und rituale in eine rede für den staat und die familie.
die gesellschaft hat sich zum beispiel auf die schulpflicht geeinigt, familie und ehe geben sicherheiten und so weiter. die polizei schütz uns alle und der rechtsstaat ist ja ach so toll.
ein rechtsstaat, der zwischen nutzlosen und nützlichen geflüchteten und migrierenden unterscheidet.  der mich zwingt meine identität vor gutachter_innen und gerichten zu beweisen. der alte menschen aus ihren wohnungen räumt, weil eigentum ja zu schützen sei.
der schwangerschaftsabbruch immer noch als illegal betrachtet und das “werben“ dafür unter strafe stellt und und und…. ich schreibe mich in rage, entschuldigt.
dann meinte sie auch noch ernsthaft, dass wenn wir in einem anarchistischen staat (wie lustig) leben würden, wir im totalen chaos leben würden.
deshalb ist das alles grad so gut und richtig.

puh…ich war erstmal erschlagen und baff. weil ich sie sehr mochte und eigentlich keine lust hatte mit ihr in diskussion gehen zu müssen.
doch konnte es so nicht unwidersprochen lassen.
ich erklärte dann, dass anarchie ja das falsche wort sei und legte dar, dass es nicht nur auf die eigenen fähigkeiten und gegebenheiten ankommt psychisch gesund zu sein.
dass sozialer und materieller druck nicht mit ein wenig achtsamkeit wegzumeditieren ist und ich diese neoliberale denke für gefährlich halte.
die gesellschaft als faktor ist nicht dabei, wenn es nur um die eigene psychische gesundhgeit geht. ich erklärte, das mir das zu individualistisch ist.
mir als transfrau z.bsp. aus dem osten und ohne abitur fällt es nunmal nicht so leicht so psychisch gesund zu sein, weil die gesellschaft so eingerichtet ist wie  sie ist. weil die gesellschaft eben nicht per se gerecht ist. weil wir nicht gleich behandelt werden, nur weil wir vor dem gesetz gleich sind (was ja in der realität meist auch nicht zutrifft). gleichzeitig erklärte ich (sehr verkürzt) meine sichtweise über familie und ehe (ausbildung des autoritären charakters und heteronormativität) und erwähnte auch noch den bildungstrichter.
das war dann doch ein wenig zuviel, wieder wurde das zeitdruckproblem™ genannt um eine diskussion zu unterbinden. denn jetzt sprachen auch die anderen patien_innen ihren unmut über diese stunde aus.
es sei “nicht einfach auf psychische gesundheit zu achten, wenn man ne 50 std woche hat, 8 euro pro std verdient und 3 kinder zu ernähren hat, da hasste keine zeit für den  kram“ zbsp..
oder: “ja. da können therapeuten jeden tag 5 std über achtsamkeit und selbstfürsorge mit uns machen. da gehe ich hier raus und habe nichts davon. sie köönen sich mein leben als alleinerziehende angestellte doch gar nicht vorstellen.“

sie schaffte es dann auf das thema soziale kontakte um zulenken.  dabei kritisierte sie die “antisozialen“(sic!) netzwerke  und die schnelllebigkeit der heutigen zeit und so weiter.
als ihr telefon, genau bei diesem thema 3 mal klingelte war die stunde zu ende.
die gesammte gruppe hatte einen kollektiven lachanfall. und auch die therapeutin konnte ihr lachen nicht unterdrücken.
lachen ist auch wichtig für die psychische gesundheit….

am selben abend…

… ging ich dann in den rauchraum und wollte einfach nur eine rauchen.
auf dem fernsehgerät lief grad eine doku über “sperrmüllabzocker“.

als die menschen im raum den akzent einer person in der doku hörten, hagelte es
rassisitische bemerkungen wie: “ kommen hier her, leben von unseren steuern und dann auch noch sowas.“  “ ´die´ haben doch keine skrupel…“, “sind bestimmt rumänen“. “ pack, am liebsten würde ich dort vorbei gehen und die alle verjacken“
in mir kochte es und am liebsten hätte ich sie alle angeschrien. doch ich habe dann nur ganz ruhig gesagt, sie sollen doch mal bei den hells angels oder der deutschen rotlichtmafia vorbei gehen und die verjacken.
aber bei weißen deutschen sei das ja keinb problem, ne?
ich erntete verwirrte blicke und ging genervt ins bett.

ein, zwei anmerkungen noch…
ich bekam nach etwa 3 wochen erst einen fragebogen zu depressionen, obwohl ich ständig davon gesprochen habe. ich habe erst nach 2 wochen schlaffördernde medikation bekommen und in vielen meiner probleme fühlte ich mich (meist vom pflegepersonal) nicht ernst genommen.
alles in allem war es aberr nicht so schlimm wie ich es m mir vorgestellt habe und sie haben sich bemüht….

in meinem abschiedsgespräch erwähnte die therapeutin dann noch, das meine ängste ja nicht einfach irrational sind, sondern real, denn ich bin ja wirklich ständig blicken ausgesetzt.

ja… das wusste ich auch schon 🙂